Eine musikalische Hochbegabung muss nicht zwangsläufig im Konzertsaal enden; auch Streicher sind nicht zur Klassik verdammt, und ihre beruflichen Horizonte öffnen sich weiter, als man oft vermutet. Wir trafen die Bratschistin Kirstin Kroneberger, Absolventin des Musikgymnasiums Belvedere in Weimar, die mit dem Solisten-Drill an der Hochschule nicht viel anfangen konnte und andere Wege einschlug. In unserem Gespräch erzählt sie, wie die Steinchen zusammenkamen, aus denen eine vielseitige künstlerische Existenz geworden ist.
Kirstin Kroneberger – bevor jetzt alle zu googlen anfangen, sag doch bitte erst mal ein paar Worte zu deiner Person. Was waren die wichtigen Stationen in deiner Biographie, wo kommst du her, was ist dein Hintergrund?
Geboren wurde ich in Greiz und bin da auch mit 5 Jahren auf die Musikschule gegangen, bis ich 16 war, und habe die ganze Zeit Geige gespielt. Dann bin ich nach Weimar auf‘s Belv, da war ich auch am Anfang noch Geigerin, habe mich aber ein Jahr später für die Bratsche entschieden, da ich fand, dass das das schönere Instrument ist. In Belv war ich bis 2000, habe da mein Abitur gemacht, und dann in Leipzig und in Weimar die Aufnahmeprüfungen für‘s Musikstudium. Die hab ich auch an beiden Hochschulen bestanden, bin aber in Weimar geblieben und habe sieben Semester Musik studiert; bin dann von dort aber weg, weil ich gemerkt habe dass das mit der klassischen Musik und dem, wie‘s da so abgelaufen ist nicht so meins war… Ich wollte halt Orchestermusikerin werden, aber man wird dort als Solist ausgebildet. Zusammen mit Jens Kobe, der auch hier im Zughafen arbeitet und die STÜBAphilharmonie als Organisator leitet, bin ich dann nach Görlitz gegangen und habe dort Kultur & Management studiert. Danach für ein halbes Jahr nach Leipzig, um Praktika zu machen, was aber nicht geklappt hat, und bin dann über das STÜBA-Orchester und andere Sachen in den Zughafen gerutscht. Hier bin ich seit letztem Februar, Februar 2010.
Bevor wir auf STÜBA und den Zughafen näher zu sprechen kommen, möchte ich noch ein bisschen bei deinen musikalischen Anfängen bleiben. Du hast ja wie viele andere auch an einer ganz normalen Musikschule begonnen. Wie bist du zu deinem Instrument gekommen, was war für dich ausschlaggebend, um überhaupt mit Geige anzufangen?
Also, meine Eltern und mein großer Bruder spielen Klavier und mein mittlerer Bruder Geige. Ich fand Geige schöner als Klavier, das war mir zu kompliziert – da habe ich mit Geige angefangen. Außerdem war die Lehrerin in Greiz, Frau Floß, die auch immer noch dort unterrichtet, ganz toll!
Kann man das ausrichten?
Ja, das kann man ausrichten!
Also es lag familiär in der Luft – was war aber der Punkt, an dem du gemerkt hast, es wird ernst mit der Musik, und aus der Nebenbeschäftigung, die viele machen, wird etwas, was nicht so viele machen?
Das hat eigentlich schon relativ früh begonnen. Mit fünf bin ich ins Ballett gegangen, und mit 12 oder 13 musste ich mich für Ballett oder Geige entscheiden, einfach schon zeittechnisch, wegen der Schule usw. Da hab ich mich dann für die Geige entschieden und bei diesen ganzen Wettbewerben mitgemacht, Jugend musiziert und so, und dann kam eine Professorin von der Hochschule Franz Liszt in Weimar und hat gesagt, dass ich Förderunterricht bekomme. So mit 14, 15 hat sich‘s dann also herausgestellt.
Das kam also durch die Wettbewerbe, dass man auf dich aufmerksam wurde?
Ich glaub durch Jugend musiziert, ich weiß es gar nicht richtig. Frau Fehlhaber war das, weiß gar nicht ob‘s die noch gibt (lacht) die hat das dann angeleiert, dass ich Unterricht beim Professor hatte, und irgendwann ging’ s nach Belv.
In welcher Klasse bist du ins Belv eingestiegen?
In der zehnten.
Also auch recht spät, im Vergleich mit anderen?
Ja, was ich auch jedem empfehle, ein bisschen später dahin zu gehen.
Warum?
Eine Freundin von mir zum Beispiel, die ist in der 6. oder 7. Klasse da schon hingegangen, und die Trennung von den Eltern auf so lange Zeit ist, glaub ich, ganz schön fies, wenn man noch so jung ist – also sie kann fies sein, es gibt natürlich auch Leute, die kriegen das gut hin.
Für dich kam der Umstieg dann zu einem Zeitpunkt, an dem man sowieso flügge wird und abhaut.
Ja, ich wollt unbedingt raus, und das war eigentlich ganz gut.
Also auch namentlich ins Internat usw.
Genau – das war auch sehr lustig. Ich hatte schon, als ich auf Belv war, dieses Gefühl gehabt. Dadurch, dass man da mit seinen Freunden die ganze Zeit verbringt, und auch gute Freundschaften entstanden sind, die auch bis heute richtig halten, hab ich damals schon gemerkt, dass das ne coole Zeit ist. Es gab natürlich auch ganz viele seltsame Sachen auf Belvedere, aber eigentlich ist es ein gutes Gefühl, zurückblickend.
Was war der stärkste Eindruck, als du ganz frisch an‘s Belv gekommen bist, was war das wichtigste am Anfang?
Der stärkste Eindruck … ganz am Anfang hat man Angst gehabt, weil die, die dort waren, das war halt Elite und bli und bla und blubb. Man hat so gedacht, oh Gott, ob ich das alles schaffen werde … man hat Prüfungen, ist weg von zu Hause, und das ganze stabile System, das man vorher hatte, ist weg – aber es hat sich eben anderes ergeben. Am allerersten Tag hat sich Connie, die auch schon 3 Jahre auf dem Belv war, zu meiner damaligen Mitbewohnerin im Internat und zu mir hingesetzt, und hat erst mal erzählt, wie‘s hier abgeht – und wir dann beide: O Gott! Auch nachmittags richtig lang Unterricht, und dann so lange Hauptfach, und dann so und so viele Prüfungen und huch und hoi – da hab ich gedacht: Nee! Um Gottes Willen! Aber es hat sich dann in ein paar Wochen echt entspannt, und auch dieses ganze, dass man zusammen in der Mensa sitzt, was man später nur als Student hat, das hatten wir halt schon viel früher, das war eigentlich ganz lustig. Außer, dass man nicht einfach in die Stadt gehen konnte, das hat genervt.
Wegen der Distanz vom Schloss in die Stadt, weil man nicht durfte – oder weil man keine Zeit hatte?
Also man musste noch so‘n Mutti-Zettelchen schreiben: „Mein Kind darf heute bis 22 h irgendwo hin gehen“. Mit 18 wurde es dann entspannter, da konnte ich mir die Zettel dann selber schreiben. O ja …! Na, ich hab das dann auch gar nicht so gebraucht, wir waren ganz viel im Belv-Park unterwegs, da konnte man auch immer schön die Touristen bespielen. Wir haben immer mal Straßenmusik gemacht, ein bisschen Geld verdient.
Wenn ich mir das so vorstelle, so eine Internatssituation mit lauter hochbegabten Musikern, dann stelle ich mir vor, dass es da in Konkurrenzdingen zur Sache geht, dass sich ein ganz schöner Druck untereinander aufbauen kann. Hast du das mehr als Ansporn empfunden, oder als etwas, das dich bedrückt und eingeengt hat, unter den Besten mitschwimmen und dich bewähren zu müssen?
Mir ging das gar nicht so. Als ich frisch auf Bratsche umgestiegen bin, hab ich mich selber unter Druck gesetzt, aber nicht so durch die andern. Eher, dass man von den Geigen belächelt wurde, dass man auf jetzt einmal Bratsche spielt …
… das Übliche …
Ja, das Übliche, und die Witzchen, die man dann zu hören bekommt. Aber in der 11s, der Zwischenklasse zwischen 10 und richtiger 11, da gab‘s den „ISCHU“, einen „innerschulischen Wettbewerb“, da mussten alle Instrumente gegeneinander spielen, und das, fand ich, war ein richtig bekloppter Wettbewerb, weil du ein Akkordeon halt nicht mit einer Bratsche vergleichen kannst, du kannst keinen Kontrabass mit einer Geige vergleichen, und alle haben ja ganz unterschiedlich angefangen, ihre Instrumente zu spielen. Das war auf jeden Fall der schlimmste Wettbewerb, den ich jemals mitgemacht habe, da hatte ich so viel Angst. Ich muss auch mal Herrn Herzog fragen, ob er mir das Video mal gibt, der hat ja alles aufgenommen.
Aber es ist ja schon so ein Rhythmus aus Vorspielen, die regelmäßig stattfinden, Technikprüfungen und ähnlichen Dingen, wo man gezwungen ist, sich öffentlich hinzustellen und sich zu messen.
Ja, doch, gemocht hab ich das nicht, aber es hat halt dazugehört. Im Studium später fand ich es schlimmer, weil da ging es richtig zur Sache, dass Leute nicht mit dir geredet haben, wenn du nicht die und die Preisklasse bist – darum bin ich dann da auch weg.
Solche Sachen gab‘s auf Belv noch nicht?
Ach, da gabs schon auch Personen, die einen schief angeguckt haben, wenn man nicht so gut war, oder die dich belächelt haben, wenn du bei dem Lehrer warst und nicht bei dem, aber das waren eher wenige. An sich war‘s entspannt.
Was hast du sonst nebenher so gemacht, gab‘s für dich in der Zeit auf Belv einen Punkt, an dem du darüber nachgedacht hast, was ganz anderes zu machen, wieder auszusteigen, dir ein zweites Standbein aufzubauen? Oder wenn du heute nicht das machst, was du beruflich machst – was sind sonst deine Steckenpferde, wo findet man dich da?
Also, damals auf Belv hatten wir ja so alle zwei Wochen Heimfahrtswochenende. Ich habe mich immer viel für nichtklassische Musik interessiert, bin viel auf Festivals gefahren, und ich hatte da noch einen anderen Freundeskreis zu Hause – wir haben zusammen ein Festival organisiert, mit lauter Schraddel-Musik. Das hat mich schon immer interessiert und das ist ja im Prinzip jetzt auch das, was ich weiterverfolgt habe. Das hab ich auch in Görlitz gemacht, da haben wir einen Club gegründet, wo richtig schöne Bands gespielt haben. Und was mach ich sonst so? Naja, ich interessier mich für Städteplanung, und das Nutzen von leerstehenden Häusern, gerade weil es hier im Osten so viel übelst schöne Häuser gibt, die einfach verfallen. Dann zeichne ich ganz viel. Das was ich hier im Zughafen mache, hat mit Musik ja nicht viel zu tun, das ist mehr rechtliches Gedöns.
Du bist für Lizenzen und so zuständig.
Genau, GEMA-GVL, was ne schöne Sache ist (lacht). O ja!
Ein wichtiger Bereich im Berufsleben von Musikern!
Ja – da Musiker selber sich nicht so gern darum kümmern, mach ich das dann.
Wie würdest du die Zeit auf Belv und die Zeit im Instrumentalstudium sehen unter dem Gesichtspunkt, wie du auf die Berufswelt vorbereitet worden bist? Du hast ja vorhin schon gesagt, dass du mit dem Studium nicht zufrieden warst, weil es zu solistisch ausgerichtet war. Wo werden da die Weichen gestellt, und was hat dir am Ende gefehlt in deiner Ausbildung?
Man kriegt auf jeden Fall eine sehr gute technische Ausbildung, das steht außer Frage und gehört auch dazu, und auch, dass man diese ganzen Theorie-Kram-Sachen macht, sehe ich alles ein. Aber gerade im Instrumentalbereich können nicht so viele Solisten herangezüchtet werden. Da hätte ich mir gewünscht, dass es viel, viel mehr Kammermusik gegeben hätte, und dass z. B. auch geguckt wird, wie jemand im Orchester agiert, weil wenn dann lauter frustrierte Solisten im Orchester sitzen … Ich hab damals mit Professoren geredet: Also, ich muss jetzt für diese Prüfung irgendein Konzert runterpraddeln, was viel zu schwierig ist für mich, weil es im Lehrplan steht, das ist ein Solo-Konzert, ich hab überhaupt keine Lust darauf – ich will Orchestermusikerin werden! Da haben auch alle gesagt: Stimmt schon, hast ja recht! Da kann man ja wohl mal irgendwas ändern, weil ich glaube, dann würde auch die Orchester-Landschaft ein bisschen entspannter aussehen. Es gibt wirklich so viele Orchester, von denen ich höre, geh da bloß nicht hin, mach da keine Aufnahmeprüfung, weil das ist nur Rumgezicke. Was ich von denen höre, die wirklich ins Orchester gegangen sind … die meisten erzählen von irgendwelchen bekloppten Intrigen, das ist ein Augen-Ausgehacke, und ich glaube, das kann man verringern, wenn man auch mal auf die sozialen Sachen guckt, weil ein Orchester auch ein soziales Gefüge ist. Das sehe ich in diesem freiwilligen Orchester STÜBA – wir sind vielleicht qualitativ nicht so gut wie andere Orchester, aber man merkt, wie alle wirklich miteinander Musik machen. Da ist STÜBA richtig toll!
Auf STÜBA wollte ich sowieso noch zu sprechen kommen, und auch, an welchen Projekten du hier noch arbeitest.
Hier mache ich nicht nur Lizenzen, sondern auch, zusammen mit Ju, für Ryo das Booking, diese Lesetour, die er jetzt macht, und arbeite für die ganzen Zughafen-Bands Anfragen ab.
Und musikalisch? Was hat es genau mit dem STÜBA-Orchester auf sich? Es ist ja ein interessanter Ansatz zu sagen, wir nehmen die Sache selbst in die Hand, in dieser Ellbogen-Gesellschaft, gerade wenn man im symphonischen Bereich guckt, ist es ja eine ziemlich einzigartige Geschichte. Erzähl doch mal ein bisschen, wo kommt das her, wie bist du dazugekommen, wie funktioniert das und was macht Ihr da eigentlich?
STÜBA gibt‘s schon ewig lange, so 12 Jahre insgesamt. Wobei man die ersten zwei Jahre nicht so richtig dazuzählen kann, weil das waren sechs, sieben Leute, die sich getroffen haben. Das ist aus dem Landesjugendorchester Thüringen entstanden: Leute, die gesagt haben, wir sind Freunde und treffen uns mal oben auf dem Rennsteig, in Stützerbach, daher kommt ja auch der Name STÜBA, die haben sich getroffen und haben eine schöne Zeit miteinander verbracht. Da ging es eigentlich noch gar nicht um Musik, und irgendwann haben sie dann festgestellt: Na Mensch, wir spielen doch alle ein Instrument, lass uns doch mal ein bisschen spielen. Und es wurden aus diesen sechs Leuten jetzt 120, davon sind ungefähr 20, die gar kein Instrument spielen, die aber immer mit dabei und auch ein wichtiger Teil sind. Wir haben am Anfang einfach nur aus Spaß Musik gemacht, und haben eigentlich auch gar nicht daran gedacht, Konzerte zu spielen, auf so eine Reife zu kommen. Aber es hat sich dann durch unseren Dirigenten ergeben; der hat uns so angespornt, auch Konzerte zu geben, dass wir disziplinierter probten, und dann haben wir eigentlich jedes Jahr drei Konzerte gespielt. Es sind ja auch nur fünf, sechs Leute, die wirklich Profi-Musiker sind, die anderen sind – was weiß ich – eine ist Hebamme, andere sind Ärzte, dann gibt‘s welche, die bei BOSCH arbeiten, das ist eine ganz bunte Mischung. Und die nehmen sich dann halt immer Urlaub, um bei STÜBA mitzumachen. Aus diesem Symphonie-Orchester-Projekt hat sich so viel mehr entwickelt, es gibt Kammermusik, und jetzt wird z. B. beim Wave-Gothic-Treffen gespielt.
Was spielt ihr da in Leipzig?
Dieses mal das Brahms-Requiem. Letztes und vorletztes Jahr war‘s das Mozart-Requiem, und ich hab auch so gedacht: O Gott, wir fahren jetzt aufs Wave-Gothic-Treffen, es riecht nach Patchouli, es wird alles ganz schön gruselig – es war aber mit das beste Publikum, das wir je hatten, weil die richtig zugehört haben, die sind in Tränen ausgebrochen! Und im Völkerschlacht-Denkmal zu spielen ist echt mal ein Erlebnis! Die Akustik geht ja gar nicht, aber es hat eine übelste Stimmung, da waren Kerzen an, es war richtig schön! Wie man sich ein Requiem vorstellt, lauter schwarz gekleidete Gestalten (lacht), aber wirklich, es war sehr, sehr angenehm, tolles Publikum. Dann haben wir noch Puppen-STÜBA, auf das Projekt bin ich richtig stolz, weil sich das aus so einem kleinen Wir-machen-mal-was entwickelt hat. Was haben wir zuerst gemacht – „Der Riesenpilz“, Herr Fuchs und Frau Elster, weil wir Spaß am Puppenspielen hatten. Das haben wir einfach mal so hingezimmert, die Musik aus der Schallplatte herausgehört und dann gespielt. Für das nächste Puppenspiel haben wir selbst die Dialoge geschrieben, haben die Musik und das ganze Bühnenbild selber gemacht. Das hat sich dann so weit entwickelt, dass wir schon seit drei Jahren auf der Kulturarena in Jena und beim Hörspielsommer in Leipzig mitspielen. Und wir hatten eine Tour durch die Benelux-Staaten, wo wir Workshops gegeben haben, für Kinder, die dort Deutsch gelernt haben, das war auch richtig, richtig schön. Das Goethe-Institut fand das auch gut (lacht), und das entwickelt sich immer weiter.
Überhaupt macht ihr ziemlich viel international?
Eigentlich nicht, aber das wird jetzt immer mehr! Von Anfang an haben wir ein Projekt in Rumänien unterstützt, ein Kinderheim. Alle Erlöse, die bei unseren Konzerten herausgekommen sind, was eigentlich recht viel war, haben wir diesem Kinderheim zugeschickt, und die haben sich dadurch ein neues Haus bauen können, eine neue Werkstatt und haben bessere Ausbildungsmöglichkeiten bekommen. Irgendwann haben wir auch eine Reise nach Rumänien gemacht, auch nach Kroatien und Serbien, und dieses Jahr geht‘s nach Bosnien-Herzegowina.
Und dann bist du ja noch mit „Anne Haight“ unterwegs?
Das hat sich 2004 entwickelt, als ich nach Görlitz gegangen bin. Eine Mitstudentin, die Anne, die schreibt selber Lieder, spielt Gitarre und singt sehr, sehr schön, und wir haben ein Musik-Projekt dort gehabt. Jedes Semester konnte man sich Musik oder Zeichnen oder sonst was raussuchen; ich war eigentlich immer bei Musik, und da hat sich aus dieser Formation der harte Kern gebildet, Anne und ich. Am Anfang in Bad Muskau mit drei anderen Musikern, die waren alle schon wesentlich älter, das hat sich dann ein bisschen zerschlagen, und dann haben wir Musiker aus Weimar kennengelernt. Wir haben ein Album produziert, aber die Band hat sich aufgelöst, und wir sind jetzt zu zweit, aber das ist auch gut so (lacht) und macht sehr viel Spaß. Ganz oft, nach den Konzerten, heißt es: O, du spielst so schön Geige – und ich so: nein – Bratsche! Gerade der Klang der Bratsche, sagen alle, ist das was es ein bisschen ausmacht.
Sie passt hervorragend zu Annes Stimme, finde ich auch!
Wir sind jetzt auch gerade dabei, noch ne Platte aufzunehmen, eine EP, weil die andere Platte war ja noch mit Band, und das ist gar nicht mehr das, was wir machen.
Was für musikalische Eisen hast du noch im Feuer?
Also, dadurch dass ich hier vor Ort bin, kann ich halt immer Streicher-Aufnahmen für die Leute, die in der Nähe sind machen, wenn hier z. B. Aufnahmen für Max Prosa, Norman Sinn und für andere sind, da machen wir halt auch mal Streicher-Aufnahme-Sessions, was auch sehr schön ist. Das wollt ich auch eigentlich mal größer machen, weil ich gemerkt habe, das gibt‘s nicht, dass man sich Streicher oder Bläser mieten kann für Aufnahmen. Die meisten fragen dann das Babelsberg-Orchester oder sonstwas, und können sich es dann nicht leisten. Also, wir sind jetzt nicht billig, aber dass man einfach weiß, hier, die und die können das und das machen – ich fänd das wäre eine Marktlücke.
Es ist vielleicht auch nicht immer so, dass die Leute in den bestehenden Orchestern Erfahrung mit Hip Hop, Folk und was weiß ich was haben?
Genau, das hat letztens Frithjof aus dem Atomino-Studio in Erfurt auch gesagt, wo wir mit Max aufgenommen haben, er habe noch nie Streicher erlebt, die einfach auch andere Rhythmen spielen können, und dass das so lässig mit dem Aufnehmen ist. Intonatorisch trotzdem gut, die aber einfach auch ein bisschen poppiger spielen können. Es ist wahrscheinlich auch typisch STÜBA, weil wir z. B. auch mit Clueso zusammen gespielt haben.
Also du profitierst da schon auch von deiner guten Ausbildung und von deiner klassisch, solistisch ausgerichteten Ausbildung, die dir eben die Technik auch gebracht hat.
Das schon, auf jeden Fall – und das andere, lässigere Musik zu machen, schwingt da noch mit rein.
Eine letzte Frage: Du spielst ja mit allen möglichen Leuten zusammen und machst die unterschiedlichste Musik, aber letztlich gibt es immer doch eine musikalische Persönlichkeit an deiner Seite, die du nicht loswirst, und die du irgendwann mal quasi geheiratet hast – zumindest sagen viele von sich, dass es so ein Verhältnis ist. Erzähl uns noch was über dein Instrument, nicht die Bratsche allgemein, sondern die spezielle, die du spielst. Wie hast du die bekommen, was ist das für eine, was hat die für Eigenarten?
Das ist ein Instrument, das 2001 gebaut wurde, ein Meisterstück von Bernd Hiller aus Markneukirchen. Ich habe sie mitgebracht zum Austesten, und mein Prof hat gesagt, nee, die überhaupt nicht. Und ich so: nee, ich muss die unbedingt haben! Irgendwie hab ich gemerkt, die hat am Anfang so ein Näseln gehabt, wie es typisch Bratsche ist, aber auch so eine Wärme, dass ich gesagt habe, die behalt ich. Und nach einem halben Jahr war die so schön eingespielt! Ich finde die hat nen ganz besonders unbratschigen Klang, in den Tiefen sehr cellomäßig, und sie ist, was mir andere sagen, wenn ich Quartett spiele oder so, sie ist sehr laut (lacht). Man nennt sie auch „der Dampfer“ … Man kann sie schon leise spielen, aber sie hat so einen saftigen Klang. Und die will ich auch nicht hergeben, um keinen Preis der Welt!
[Bildnachweis: Porträt Kirstin Kroneberger von Tino Sieland, mit freundlicher Erlaubnis]