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Online Geigenunterricht: Notlösung oder Chance?

Altes Thema neu interpretiert: Der Online Geigenunterricht

Online Geigenunterricht hat sich in den vergangenen zwei Monaten von einer eher stiefmütterlich behandelten Randerscheinung zu einer dringend benötigten und entsprechend weit verbreiteten Notlösung entwickelt. Sowohl Musikschulen als auch freie Geigenlehrer sahen sich wegen der Corona-Pandemie über Nacht vor die Alternative gestellt, per Videochat online zu unterrichten – oder gar nicht zu unterrichten, und suchten deshalb nach schnell verfügbaren Werkzeugen für den Video Geigenunterricht.

Worauf sollten Lehrer und Schüler achten, um aus dieser ungewohnten Situation den besten Nutzen zu ziehen – und vielleicht sogar etwas für die Zeit nach der Krise zu gewinnen?

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A) Mehr als Video-Chat: Tipps für besseren Online Geigenunterricht per Video

Auch ohne belastbare Umfragedaten darf man doch davon ausgehen, dass der Fernunterricht per Video-Chat das am meisten verbreitete Format ist. Lehrer und Schüler treffen sich virtuell zu einem Videoanruf, für den Tools wie Skype, FaceTime, Zoom und viele andere zur Verfügung stehen. Methodisch wird dabei meistens der gewohnte Präsenz- Geigenunterricht im Video nachgestellt, so gut es eben geht.

So naheliegend und unverzichtbar der diese Methode auch sein mag – zumal in der aktuellen Situation – ist sie für viele doch unbefriedigend, und das nicht nur wegen der technischen Probleme, die sich bei diesem Modell besonders störend auswirken können. Damit aus dem Online Geigenunterricht aber nicht nur eine schlechtere Ausgabe der klassischen Unterrichtsstunde wird, lohnt es sich, ein wenig über seine besonderen Bedingungen und Chancen nachzudenken.

Dazu einige Anregungen:

  • Übungsstücke vor der Unterrichtsstunde aufnehmen und übermitteln: Selbst eine Tonaufnahme mit dem Handy erreicht oft eine viel bessere Qualität als die Live-Übertragung im Video-Chat. Das hat nicht nur mit technischen Begrenzungen der verwendeten Software zu tun, sondern auch mit der Beanspruchung der Internetanbindung, die ja in der Regel zugleich für die Videoübertragung verwendet wird. Wenn Schüler ihre aktuellen Stücke aber unabhängig vom Online Geigenunterricht aufnehmen und die Audio-Datei per Mail, Messenger oder Cloud übermitteln, können sich Lehrer ein viel genaueres Bild von ihrem Fortschritt machen. Und umgekehrt profitiert auch die Rückmeldung des Geigenlehrers, wenn sie als Datei in besserer Tonqualität übermittelt wird. Der Video-Chat kann dann gezielt für Rückfragen oder weitere Erklärungen genutzt werden.
  • Für eine gute Beziehung sorgen: Es ist kein Geheimnis, dass die gute Beziehung zwischen Geigenlehrer und Geigenschüler eine große Rolle für den Erfolg des Video Geigenunterrichts spielt. Wenn nun für eine längere Zeit ausschließlich online Geige unterrichtet werden kann, sollte man nicht vergessen, der persönlichen Interaktion Raum zu geben. Es ist eine gute Sitte, das Instrument zu Beginn und am Ende einer Chat-Stunde zur Seite zu legen, sich direkt vor die Kamera zu setzen und ein paar Worte „im großen Bildausschnitt“ zu wechseln.
  • Multimedia-Chancen nutzen: Online Geigenunterricht kann etwas, das im Musikschul-WLAN (wenn überhaupt eines vorhanden ist) meist nur schlecht funktioniert. Es lohnt sich, gute Video-Tutorials oder Aufnahmen der gerade behandelten Stücke, die auf Video-Plattformen wie Youtube zu finden sind, „gemeinsam“ anzusehen und zu besprechen. Die Wirkung von „Haltungsvorbildern“ ist wissenschaftlich belegt.
  • Mehrere Kamerapositionen erschließen: Dies ist sinnvoll, um z. B. Details der Handhaltung oder der Bogenführung besser sichtbar zu machen als sie es in der „Totalansicht“ sind. Technisch lassen sich mehrere Perspektiven realisieren, indem man z. B. parallel über Handy und Tablet chattet. Aber auch wenn nur ein einziges Gerät zur Verfügung steht, lässt sich der Positionswechsel mit etwas Übung gut bewerkstelligen.

B) Technische Herausforderungen beim Geigenunterricht online

Die technischen Hürden, wenn man Geigenunterricht online geben will, sind so vielfältig wie die eingesetzten Software-Tools und die Geräte an beiden Enden der Leitung. Neben klassischen Onboarding-Problemen, die die individuelle Gerätekonfiguration und die Bedienung der Tools betreffen, setzt vor allem die Datenübertragung selbst bestimmte Grenzen:

  • Latenz: Wer es schon einmal probiert hat, weiß, dass gemeinsames Geige Musizieren im Video-Chat praktisch unmöglich ist. Der Grund ist die sog. Latenz, also die Zeitverzögerung zwischen Eingabe und Ausgabe. Ein guter Workaround ist auch hier der oben bereits erwähnte Austausch von kompletten Audio-Dateien vor und nach dem Online Geigenunterricht: Der Schüler erhält eine Aufnahme der Klavierbegleitung oder anderer Ensemble-Stimmen, spielt sie über Lautsprecher ab, nimmt seinen eigenen Part dazu auf und schickt das Ergebnis wieder zurück.
  • Mangelnde Bandbreite: Die verfügbare Bandbreite kann für die Video- und Audioübertragung im Online Geigenunterricht aus verschiedenen Gründen zu gering sein. Gerade im ländlichen Raum fehlt vielerorts die entsprechende Infrastruktur, während in Städten oft zu viele User gleichzeitig chatten, spielen oder Videos streamen. Unmittelbare Entlastung lässt sich erreichen, indem man auf die Video-Übertragung verzichtet und die Kamera ausschaltet – was die Unterrichtsmöglichkeiten natürlich sofort noch stärker einschränkt. Falls keine Aufrüstung der vorhandenen Geräte oder Anschlüsse möglich ist, kann es hilfreich sein, den Geigenunterricht auf Zeiten zu legen, in denen nicht so viele Nachbarn online sind.

C) Rechtliche Fragen zum Online Geigenunterricht

Last but not least stellen sich beim Video Geigenunterricht noch eine ganze Reihe rechtlicher Fragen, die hier nicht im Detail besprochen werden können. Wichtige Punkte, um die sich Musikschulen und Instrumentallehrer kümmern sollten, sind:

  • Die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Diese Verordnung betrifft ganz unterschiedliche Fragen, z. B. die Speicherung von personenbezogenen Daten, die Weitergabe von Daten, etwa bei der Nutzung von Video-Chat-Tools, die die Kommunikationsdaten über Server der Tool-Anbieter lenken – und sehr viel mehr!
  • Vertragsrechtliche Fragen, z. B., ob Digitalunterricht im Rahmen der bestehenden Unterrichtsverträge überhaupt möglich ist und abgerechnet werden kann.
  • Haftungsrechtliche Fragen, z. B. mit Blick auf die Sicherheit der verwendeten Tools.

Diese kurze Aufzählung soll keine Angst machen – es ist natürlich auch für selbständige Instrumentallehrer möglich, rechtssicheren Online Geigenunterricht zu geben. Wie in fast allen Lebensbereichen sollte man sich aber gut informieren und ggf. beraten lassen – im eigenen Interesse, und in dem der Schüler.

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Mitglied von violinorum.de

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