Dieser Blog war bisher ziemlich männerlastig, was die Betrachtung von Künstlern angeht – purer Zufall übrigens. In diesem Posting wird es nun einmal ausschließlich um Musikerinnen (bzw. deren neue CDs) gehen – wiederum Zufall, aber auch eine ganz erfrischende Abwechslung.
CD Nummer eins: Bachs Cello-Suiten Nrn. 1, 3 & 5, …
… eingespielt von der Ungarin Ditta Rohmann. Aus dem Booklet geht hervor, mit welcher Ernsthaftigkeit die Cellistin an dieses Projekt herangegangen ist: Sie spielt die Suiten, seit sie zehn Jahre alt ist; sie einmal alle aufzunehmen und damit ihr persönliche Lesart der Werke zu präsentieren, war ihr lange gehegter Wunsch. Bachs eigene Manuskripte existieren bekanntlich nicht mehr; um einer originalgetreuen Interpretation trotzdem möglichst nahezukommen (etwa in Artikulationsfragen), hat Rohmann alle verfügbaren – und teilweise voneinander abweichenden – Abschriften studiert und an den ungewissen Stellen diejenigen Lösungen ausgewählt, die ihr am authentischsten erschienen. Bei der c-Moll-Suite hat sie auch die Lautenversion berücksichtigt, weswegen hier, z. B. in der zweiten Allemande, einige unübliche Noten und Verzierungen erklingen (die aber eben dennoch von Bachs eigener Hand stammen).
Was mich an der Aufnahme besonders packt, ist Rohmanns Ton – kraftvoll und strahlend, ohne die kleinste Unsauberkeit. Sie erlaubt sich noch deutlich mehr Rubati als beispielsweise ein Pieter Wispelwey, aber mir gefällt´s. (Tatsächlich gefällt es mir so gut, dass ich die CD zwischendurch ausmache und mein Cello zur Hand nehme, um auch einmal wieder wenigstens das Prélude aus der Suite I anzustimmen – und nein, ich möchte nicht darüber reden … Ich schalte die CD wieder ein …) Rohmann spielt auf einem modernen, auf 415 Hertz gestimmten Cello (mit Stahlsaiten) und benutzt einen Barockbogen – interessante Kombi. Ihr Ziel war es, wie sie schreibt, eine „spezielle, subjektive, historische Authentizität aus moderner Perspektive“ zu übermitteln. Ein überzeugendes und gelungenes Ansinnen, wie ich finde; und auch die empfindsame Herangehensweise (die Sarabande in c-Moll etwa ist für sie „eine Welt von Emotionen“ und entsprechend musiziert sie sie) entspricht mir. Bach geht halt unter die Haut.
CD Nummer zwei: „two moments in a city“, …
… eine Geschwisterproduktion von Angela Rossel (Violine) und Ruth Maria Rossel (Cello). Hier, so scheint es mir, steht nicht altehrwürdige Musik im Zentrum, der es gerecht zu werden gilt, sondern vielmehr eine Idee, die in Musik verpackt werden soll. Der Titel verrät es: Es geht um die vielfältigen Eindrücke einer Stadt. Verarbeitet wird das Thema einerseits in Eigenkompositionen der Schwestern, andererseits in Werken zeitgenössischer Komponisten, in enger Zusammenarbeit extra für sie geschrieben, und drittens in selbst arrangierten, teils sehr bekannten Stücken von Debussy, Fauré und Gershwin sowie von Elbio Mango.
In stilistischer Hinsicht haben wir es bei den neu komponierten Stücken mit dem zu tun, was man geheimhin als „Crossover“ bezeichnet: einem Mix aus klassischen Elementen und modernen Musikstilen. Gerade in der Titelkomposition der Musikerinnen fühlt man sich stark an Filmmusik erinnert: harmonisch gewagt, aber stets noch kurz vor „zu dissonant, um eingängig zu sein“; gefühlvoll, aber immer wieder gebrochen durch zwischengeschaltete, vorwärtsdrängend-rhythmische Abschnitte (z. B. in „heading home“). Gefühle, Gedanken und Erlebnisse aus dem Leben eines Städters – ja, das kommt schon recht gut rüber auf diesem Album. Das Kopfkino hat freie Bahn.
Kurzweilig und interessant auch die anderen Werke: „ON THE ROOF OF A SKYSCRAPER“ von Tim Allhoff, „mind the gap“ von Ulrich Schultheiss und das ebenfalls mit „Two moments in a city“ betitelte Duo von Paul Musyl. Da hört man U-Bahnen abfahren (bei Schultheiss) oder es erklingen, wie bei Musyl, verschiedenste Musikrichtungen aus Kirchen oder geöffneten Fenstern … Das ist durchaus unterhaltsam, aber nicht trivial. Und die Impressionisten mit reinzumischen, passt natürlich auch sehr gut ins Konzept.
Ein bisschen meckern muss ich aber leider doch: Ich mag Angela Rossels Vibrato nicht. Es ist mir zu hektisch und flattrig. Keine Missverständnisse: Ihre Technik ist ansonsten sehr gut; wie die Schwester auch hat sie am Mozarteum studiert! Aber gerade bei so einem wundervollen Stück wie Debussys „Beau Soir“ würde ich mir ein ruhiges, genießerisches Vibrato wünschen, und das ist bei ihr einfach nicht gegeben.
Weil das nun aber ein gar zu negativer Schluss wäre, am Ende doch noch ein Lob: Die „Mango-Tangos“, vor allem „Rio de la Plata“, musizieren Rossel & Rossel richtig gut, Vibrato hin oder her. Wenn Ruth Maria Rossel da im Takt auf ihrem Cellokorpus herumtrommelt, will ich gleich mitzappeln – mein persönliches Highlight dieser CD!
Bach Cello Suites Nos. 1, 3 & 5
Ditta Rohmann (Violoncello)
Hungaroton (Klassik Center Kassel)
67:18 min.
two moments in a city
Werke für Violine und Cello
Angela Rossel (Violine)
Ruth Maria Rossel (Violoncello)
Musicaphon (Klassik Center Kassel)
65:23 min.